Virtueller Stadtrundgang zum Kieler Matrosenaufstand, Nov. 1918

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Nr. 11: Kieler Hauptbahnhof

Der Bahnhof spielte damals eine wichtige Rolle in den Auseinandersetzungen: Truppen, die den Aufstand niederschlagen sollten, kamen hier an und mussten wieder umkehren oder solidarisierten sich; einige Kämpfe der folgenden Tage spielten sich auch um den Bahhof herum ab, und schließlich verließen viele Soldaten bereits Kiel in dem Bewußtsein, dass der Krieg zuende sei, aber auch in dem Bestreben, die Revolution weiter zu verbreiten und damit die Situation auch in Kiel zu stabilisieren. Da einige Tage keine Züge fuhren, gingen viele Matrosen zu Fuß nach Neumünster und fuhren von dort mit der Bahn weiter.

 

Heutiger Stadtplan Damaliger Stadtplan

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Stadtplan historisch
  Auszug aus einem Stadtplan von 1910 (Stadtarchiv).
Heutige Ansicht Damalige Ansicht
Foto Kieler Bahnhof 2009 Postkarte Kieler Bahnhof 1910
Der Bahnhof am 8.11.2009 (Abschlusskundgebung einer Gedenkversanstaltung) von der Wasserseite aus gesehen. Der Platz wurde 2011 in "Platz der Kieler Matrosen" umbenannt. Foto K. Kuhl Postkarte Kieler Bahnhof 1910 von der Landseite aus gesehen; aus http://kiel.ingowelt.de

Weitere Erläuterungen zu den Vorgängen:

Der Tagebuchschreiber von der Germaniawerft (Ingenieur Nicolaus Andersen, siehe www.kurkuhl.de -> Novemberrevolution -> Zeitzeugen) beschreibt einige der Vorgänge am Bahnhof:

Mo., 4.11.1918: Arbeiter gehen mit Soldatengewehren umher. Alles zum Bahnhof. Marine sperrt den Bahnhof ab. Es kommen aber noch Züge an. Marine Offiziere werden entwaffnet und mit starken Posten zum Hansa-Hotel und „Europäischen Hof“ gebracht unter Schmährufen der Menge. Mittags 3" waren etwa 200 Mann Infanterie aus Neumünster mit Masch.Gewehr am Bahnhof eingetroffen, sie hielten um 6" die Eingänge besetzt. Ich hole mit Hilfe eines Unteroffiziers die Volkszeitung am Schalter. Um 9" waren die Matrosen Herren des Bahnhofes. Sie ließen nur reisendes Zivil herein, dagegen viel Marine. Die Soldaten aus Neumünster sind jedenfalls abgezogen. Später kommen plötzlich nach lauten Hurrahs die Infant. Rgmt. Nr. 84 einzeln ohne Waffen aus dem Bahnhof und machten mit den Matrosen gemeinsame Sache. Sie lieferten Gewehre, Munition und Maschinengewehre an die Marine ab. Große Verbrüderung und Hochs auf die Infanterie. Feldgraue Helme wurden weggeworfen, Mützen aufgesetzt und Klamauk gemacht. Mariner gingen mit feldgrauen Helmen und Decksoffiziers-Degen umher.
Später gegen 11" zum Bahnhof. Unheimliches Gedränge vor dem Nordportal u. Begeisterung. Hunderte Infanteristen zwischen tausenden Arbeitern, Marines, Zivilisten und – Mädchen und Jungs. Die Infanteristen verschwanden langsam im Bahnhof und sind ohne Waffen abtransportiert worden. Ein Auto holte ein Maschinengewehr mit Schützen nebst Munition. Wildes durcheinander befehlen und Klamauk. Alle Marine ist nach und nach bewaffnet.
Um 1" nach Hause, denn es war kalt. Kaum im Bett, erhebt sich ein mörderliches Schießen. Ich raus. Am Bahnhof menschenleer. Man schießt (angeblich aus dem Hansa-Hotel und zwar von Offizieren) auf die Soldaten. Das Hotel wird erheblich beschossen, desgl. mehre Häuser am Sophienblatt, so Uhrmacher Blunck u. Ecke Lerchenstraße gegenüber auch noch. Als es ruhig, gehe ich durch den Tunnel südl. am Bahnhof entlang. Ein Lastauto kommt Ringstr. u. wird mächtig beschossen von allen Seiten. Leider sind Matrosen die Insassen. Als das Schießen eingestellt ist, findet man einen Obermaat mit Beinschuß und einen Matrosen mit Brustschuß. Ein Krankenauto holt sie ab. Trauriger Anblick. Ich musste hinter einem Kandelaber der Gaslaterne niederknien. Die Kugeln flogen umher. Ein Obermaat schießt neben mir stehend freihändig eine Kugel nach der anderen ins Hotel u. nach dem Auto. Dann lange Besprechungen u. Gruppenbildung. Aufstellen von Masch. Gewehr am Unfallmelder u. Portal-Haus der Landwirte.
Warten Ecke Voß auf Wandsbeker Husaren , welche aber um ½ h (?) nicht gekommen waren. Mit Eisbeinen nach Hause. Die Erbitterung gegen schießende Offz. ist groß.

Die einzelnen Stationen des virtuellen Stadtrundgangs:

  1. Holtenauer Hochbrücke/Schleusen >>
  2. Großer Exerzierplatz >>
  3. Karlstraße / Ecke Langer Segen >>
  4. Torpedowerkstatt Friedrichsort, Germaniawerft Kiel-Gaarden >>
  5. Kasernen in Kiel-Wik >>
  6. Marinestation Ostsee >>
  7. Arrestanstalt >>
  8. Gewerkschaftshaus >>
  9. Rathaus >>
  10. Schloßhof >>
  11. Bahnhof >>
  12. Gräber der Gefallenen >>

Reale, begleitete Stadtrundgänge zu diesem Thema werden angeboten von:
- Geo-Step-by-Step >>
- Ernst Mühlenbrink, über die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte >>
- AKENS, Asche Arbeitskreis >>

 

Last modified: 15.11.09

 

Zum Thema Kieler Matrosenaufstand (Novemberrevolution 1918) finden Sie hier weitere Informationen:

  • Interview mit einem der Führer: Lothar Popp >>
  • Lebenslauf L. Popp >>
  • Erlebnisbericht des zweiten Führers: Karl Artelt >>
  • Lebenslauf K. Artelt >>
  • Weitere Zeitzeugen >>
  • Filme über die Ereignisse >>
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