Als Entwicklungshelfer vertrat ich (Klaus) Sambia zusammen mit dem Enterprise-Segler-Team auf der Weltmeisterschaft in Durban. Es folgt der Bericht von Franc Duking, ebenfalls Mitglied im sambischen Team. Franc ist Holländer und arbeitete für den Volunteer Service Oversees (Englischer Entwicklungsdienst) in der Lehrerausbildung in Kitwe. Er war Vorschooter bei Aage Bentzen einem norwegischen Tischler, der ebenfalls in Kitwe arbeitete.
Ich freute mich auf ein paar ruhige Wochen. Ich wollte einfach ausruhen, Freunde besuchen, vielleicht mich an die Stapel von unkorrigierten Klassenarbeiten machen .... da schlug das Schicksal unbarmherzig zu. Eine Woche vor dem Beginn meiner hochverdienten Ferien rief mich mein Freund an. Da war ein bittender und verzweifelter Unterton in seiner Stimme:" Wir gehen nach Durban, um in der Enterprise-Weltmeisterschaft mitzusegeln - und uns fehlt ein Vorschoter! Bitte, bitte kannst Du mitkommen? Selbstverständlich wird alles bezahlt." Ich mußte gründlich darüber nachdenken, für ein paar Sekunden, aber ihr kennt mich - niemals ein gutes Angebot ablehnen! (Das ist der VSO-Geist!)
Die Reise nach Durban verlief ohne größere Zwischenfälle. Abgesehen davon, daß wir ein Strafmandat bekamen für zu schnelles Fahren, was wir mit unserem klapprigen VW-Camper aber nur schaffen konnten, weils bergab ging und wir Rückenwind hatten, abgesehen von dem Verlust unseres linken Außenspiegels, den uns ein Adler entriss und abgesehen davon, dass wir uns mitten in Johannesburg in einer dunklen, mondlosen Nacht verirrten...
Die ersten beiden Tage in Durban verbrachten wir damit, das gecharterte Boot zu preparieren. Alle Boote müssen einem eiheitlichen Standard entsprechen, und sollte Dein Ruder 4 mm zu lang sein - nun, dann mußt Du es absägen! Ich kann mir nicht vorstellen, was zu machen wäre, sollte es zu kurz sein... Zum Glück trat dieses Problem nicht auf.
Das bunt gewürfelte Sambianische Segel-Team (1 Lappländer, 1 Käsekopf, 2 Krauts (mein Vorschooter und ich - Anm. Klaus), 1 Pom und 2 dazugegebene Sambianer) bemannte drei Boote und war am zweiten Tag komplett als die Krauts und der Pom eintrafen. Ruth und Charles, die einzigen wirklichen Sambianer, hatten noch nie vorher die See gesehen - „Müssen wir darauf segeln? Ich will wieder nach Hause..." Die mentale Regatta-Vorbereitung des Teams war entsprechend sehr umfassend und wurde im wesentlichen in den örtlichen Bars durchgeführt. Man nennt das die lokale Ökonomie unterstützen, glaube ich.
Das sambianische Team in Durban, von links nach rechts: Neville Ravensdale, Ruth Kapaya, Klaus Kuhl, Stewart Cowell, Charles Kapaya, Franc Duking, Aage Bentzen, Dieter Hunger
An unserem dritten Tag in Durban fand die Übungsregatta statt, die wir vollständig verpaßten, denn nachdem wir 10 Meter gesegelt waren, brach unsere Pinne. Das Ergebnis: In der ersten richtigen Regatta am folgenden Tag hatten wir nicht die leiseste Ahnung, wo auf diesem riesigen Ozean die Startlinie sein sollte und wir belegten den 43. Platz (von 43 Booten).
Am nächsten, dem zweiten Regatta-Tag hatte der Wind wirklich zugenommen - Wellen so hoch wie Doppeldeckerbusse. Für die Laien: eine Enterprise ist ein Zweimann-Boot, das eine entfernte Ähnlichkeit mit der Badewanne in meiner Toilette besitzt. Die Zuschauer müssen geglaubt haben, wir sind Selbstmörder!
Wunderbarerweise schafften wir es diesmal irgendwie mit dem Pulk über die Startlinie zu kommen. Allerdings dauerte das Glück nicht lange - schon bald dachten wir, man könnte leichter manöverieren, wenn nicht zuviele Boote hinter dir sind. Ich weiß nicht mehr, warum wir das erste Mal kenterten, aber ich lernte bald, daß es in diesen Wellen nicht einfach ist, ein Boot wieder aufzurichten und weiterzusegeln - besonders wenn Du normalerweise auf einem Ententeich segelst!
Nachdem wir das 15. Mal gekentert waren, waren wir zu erschöpft, um uns noch Gedanken um die Haie zu machen, und wir sagten uns, es sei eine taktisch kluge Entscheidung, unsere Kraft für den nächsten Regatta-Tag aufzusparen. Als wir uns an Land zurückgekämpft hatten, durften wir feststellen, daß die nächste Regatta vorgezogen worden war: Sie sollte in einer Stunde stattfinden! Der Wind hatte mittlerweile Sturmstärke erreicht - das war ausgezeichnet für unser Selbstvertrauen. Aber wir gingen wieder raus und wir schafften es, die Startlinie zu kreuzen. Eine Leistung, das kann ich Euch sagen. Wir hatten soviel Verstand diesmal nach der ersten Kenterung aufzugeben. Wir lernten schnell!
Glücklicherweise waren die Wellen am 4. Und 5. Regatta-Tag ein winziges Stück kleiner. Wir schafften es, beide Regatten intakt zu beenden, und es waren sogar fünf oder sechs Boote hinter uns! Wir fühlten, daß wir eine großartige Leistung vollbracht hatten.
Und dann kam der fünfte und letzte Tag der Regatta. Ich wußte gleich, daß etwas nicht stimmen konnte, als ich morgens aufwachte mit der Zeltleinwand in meinem Gesicht. Der Wind hatte gedreht und war noch stärker als an jenem denkwürdigen zweiten Tag der Regatta. Dies war der spektakulärste Tag - gigantische Wellen und ich hing an dem Boot und aus dem Boot, wie der Teufel an der armen Seele und versuchte es aufrecht zu halten. Die erste Runde erinnerte mich an die Minibustouren nach Siavonga (Städtchen in Sambia, Anm. Klaus) - wo man all die Skelette der weniger glücklichen Busse in den Schluchten links und rechts des Weges vorbeiziehen sieht. Ich glaube, wir müssen mindestens an zehn gekenterten Booten vorübergekommen sein. Nach der dritten Runde waren wir völlig ausgepumpt aber immer noch aufrecht.
Dann als wir auf den Wellenkämmen von Boje 2 nach Boje 3 schossen, begleiteten uns plötzlich fünf Delphine! Sie spielten mit dem Boot, links, rechts, und tauchten unter ihm durch - unsere Aufmerksamkeit wurde so sehr abgelenkt, daß die erste Böe uns umwarf! Nun waren wir mittlerweile zu den erfahrensten Kenterern des ganzen Feldes aufgestiegen und so hatten wir unser Boot schon bald wieder auf Kurs. Dreißig Minuten später kreuzten wir kreischend die Ziellinie - ein echter Kick. Unsere kühnsten Träume waren wahr geworden, denn wir waren nicht mal die letzten - und an Land hörten wir später, daß neun Boote aufgegeben hatten!
Das bedeutete, daß wir 40. in der Gesamtwertung wurden ( die Teams aus Indien und UK belegten sämtliche vorderen Plätze). Neville und Ruth belegten den 41. und Klaus und Dieter den 34. Platz.
Natürlich verbrachten wir unsere Zeit nicht nur mit Segeln - Durban ist eine großartige Stadt für einen ruhigen Strandurlaub. Es hat die gleiche Skyline wie einige Urlaubsstädte in Spanien - eine Strandfront mit all diesen riesigen Hotels. Wenn man von Sambia kommt fühlt man sich ein wenig fremd....
Stand: 14.12.2011